Pseudoscorpionida lässt sich nicht blicken, auch nach dem zwölften Gesiebe nicht. Das findet Insektenforscher Dr. Hans-Peter Reike schon merkwürdig. Dafür sammeln sich Wanzen- und Marienkäferlarven, verschiedenste große und klitzekleine Ameisen, Zikaden, Grashüpfer, Schwebfliegen, unterschiedlichste Spinnenarten, Kurzflügelkäfer, Milben, Raupen, Ohrenkneifer und ihre Larven oder eine Spinnenameise auf der hellen Bestimmungsfläche. Und natürlich die unvermeidliche Zecke. Sie krabbelt später nicht nur auf der Fläche zum Bestimmen, sondern auch auf der einen oder dem anderen Exkursionsteilnehmer.
Ende Juni führten wir die von einem Vereinsmitglied vorgeschlagene Exkursion zum Thema „Wirbellose“ mit dem Chemnitzer Entomologen Dr. rer. nat. Hans-Peter Reike durch. Dafür hatten wir uns natürlich das von unserem Verein betreute Seifersdorfer Tal – beziehungsweise einen kleinen Abschnitt hiervon – als Untersuchungsort ausgesucht.
Ebenso vergnüglich wie einprägsam begann der Tag mit dem Kennenlernen einiger grundlegender Merkmale zur Bestimmung wirbelloser Tiere anhand von Plüschtieren. Dr. Reike erläuterte die Besonderheiten von Spinnen, Krebstieren, Hundert oder Doppelfüsslern, Schmetterlingen, Heupferden und Käfern. Wir lernten einiges über Spinnentiere ohne Fühler, die ihrer Beute Gift bzw. Verdauungssäfte injizieren, so dass die Beute außerhalb des Körpers ausgesogen wird, über Tausend-, Doppel- und Gliederfüssler (zu Letzteren gehört auch der Pseudoskorpion), Raupen, Schmetterlinge und vieles mehr.
Dann ging es mit allerlei Fangwerkzeug los an die Wiesenränder: Einem leichten Kescher mit durchsichtiger Gaze, einem etwas schwereren mit Leinenstoff und einem Siebkescher, in den oben Blätter oder Moos eingefüllt wird. Dies wird dann durchgesiebt, so dass unten am – noch zugebundenen – Sackende nur feine Erde und Kleinlebewesen landen. Nach dem jeweiligen Keschern wurde eine Art großes kreisförmiges Stofftablett auf der Erde ausgebreitet und der nun geöffnete Sack bzw. Kescherinhalt ergoß seinen Inhalt auf die helle Fläche. Dieser Untergrund ermöglichte ein gutes Erkennen der krabbelnden, springenden, kriechenden oder laufenden Tiere.
Auffällig war, dass trotz mehrerer Gänge mit dem Kescher an einem Kornfeldrand nur sehr wenige Insekten gefunden werden konnten. Ein Grund hierfür könnte in der Behandlung des Getreides mit Pestiziden gelegen haben.
Für uns Fliegenfischerinnen und -fischer besonders interessant war die Frage nach der Artenvielfalt in Gewässernähe. Aber auch hier war leider vergleichsweise wenig anzutreffen. Darauf deutete laut Dr. Reike bereits die Ufervegetation, die auf eine Nährstoffüberversorgung – vermutlich infolge von überdüngten Äckern und Wiesen – schließen ließ. Etwas weiter im Wald waren dann etwa mit Wasserdost und Sternmiere eher Pflanzen zu sehen, die auf eine gesunde Ökologie hinweisen. Hier fand sich dann beim allerletzten Gesiebe vor Exkursionsende endlich auch der zuvor schon vermisste, inzwischen selten gewordene Pseudoskorpion.
Neben der Bestimmung und Erläuterung der unterschiedlichen Arten, ihrer Ernährungsweise, teils auch ihrem Beuteverhalten, der Fortpflanzungsweise oder den Entwicklungsstadien beantwortete Dr. Reike die vielen unterschiedlichsten Fragen der jungen, aber auch der älteren Teilnehmenden. So erfuhren wir etwa, was Marienkäfer zur Feindabwehr „pullern“ (das Blut der Tieren kann an den Beingelenken gezielt abgegeben werden), was sich unter den Flügeldecken der Kurzflügelkäfer verbirgt (Flugflügel) oder warum sich Libellen gerne mal auf einem Menschen niederlassen (nicht aus Sympathie 😉, sondern um eine bessere Ansitzposition zum Beutefang zu bekommen).
Abgesehen von diesen spezielleren Dingen lernten wir auch Alltagstaugliches, das helfen kann, die Insekten besser zu schützen. Etwa darüber, wann man besten den Rasen mäht, um möglichst viele Insekten zu schonen – nämlich mittags, da die Insekten morgens noch klamm und schlechter in der Lage sind, vor dem Mähwerk zu flüchten. Außerdem erfuhren wir, dass immer nur die Hälfte gemäht werden solle, damit die Tiere in die andere Hälfte ‚umziehen‘ und dort weiterleben können, bevor nach ca. 2 – 4 Wochen der Rest der Mahd erfolgt.
Der Exkursions-Nachmittag wurde in der Marienmühle beschlossen, nicht ohne vereinbart zu haben, dass Dr. Reike für die Saison 2024 wieder für eine Exkursion angefragt werden wird. Dann soll es in erster Linie um Insekten im und am Wasser gehen.
Von Antje Friedrich